Der erkältete Omnibus

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– Ein Omnibus ist müde

und stellt sich vor ein Haus,

er schiebt die Türen leise zu

und löscht die Lampen aus.


Er ist schon eingeschlafen,

ein Schild sagt gute Nacht,

da hat im Haus der kleine Klaus

ein Fenster aufgemacht.


Er schüttet kaltes Wasser

dem Omnibus aufs Dach,

der Omnibus kriegt einen Schreck,

und davon wird er wach.


Der kleine Klaus am Fenster

gießt Wasser immer mehr,

der Omnibus erkältet sich,

das Fieber plagt ihn sehr.


Der kleine Klaus holt Tücher

und geht zum Omnibus

und reibt ihn ab und drückt ihm auf

die Scheibe einen Kuss.

    

«Jetzt darf ich dich behalten,

du bist gesund gemacht!»

Und hopplahopp, der kleine Klaus

steigt ein und hupt und lacht.


Der Omnibus soll fahren,

und müde ist er doch,

er fährt – und plötzlich fährt er quer,

hängt fest in einem Loch.


Der kleine Klaus muss laufen,

Die Augen gehn ihm zu,

er kommt nach Haus zurück und fällt

ins Bett mit Hemd und Schuh.




Käsekrümel und Rose
– Auf Omas großem Gartentisch
ist Platz genug für dicke Fliegen, 
die haben sich gerade auf den Tisch gehockt,
ein Käsekrümel hat dicken Fliegen angelockt. 
Ein schöner weißer Schmetterling
kann auf dem Gartentisch nicht landen,
die Fliegen rennen alle kreuz und quer,
mal eine vorneweg, mal alle hinterher,
ganz plötzlich alle hin zum Käsekrümel,
der Schmetterling steht flatternd in der Luft,
die Sonne hat den Käse weich gemacht und drum
treibts alle dicken Fliegen um den Käse rum.
Da kommt ein gelber Schmetterling herangeflogen
und hat den weißen mit sich fortgezogen
zu einer dunkelroten Rose hin. Dort sitzen
die beiden jetzt an dunklen Blütenblätterritzen
und saugen süßes Rosenwasser ein …
in Omas Garten wird’s bald Sommer sein.


Herr Nachtigall

– Du, Hanna, gestern bin ich übers Haus geflogen,
ja, gestern Nacht. Ich lag im Bett und war noch wach,
die Decke hatt‘ ich bis zur Nase hochgezogen,
als plötzlich eine Stimme leise zu mir sprach:

«He, du, ich bin Herr Nachtigall, schlaf ein, schlaf ein,
ich komm auf Traumbesuch, ich hol dich ab zum Fliegen!»
Ich sagte: «Fliegen? Kann ich nicht.» – «Nein», sagt die Stimme, «nein,
schlaf ein, dann kannst du‘s, wirst auf dunklen Wolken liegen

und mit mir fliegen! Pfeif ich dir ein Lied, und jeder Ton
hebt dich ein Stück nach oben! Hörst du‘s? Fliegst du schon?»


Herr Lila

– Herr Lila wohnt in einem kleinen Haus,
und manchmal abends geht er aus
und guckt die Bäume an,
die da im Dämmerdunkel stehn
am Weg, den Straßen und Alleen, 
dann stellt Herr Lila Fragen:

«He, Baum, kannst du mir sagen,
wann geht ein Baum, wie du, ins Bett?
Sind deine Träume violett,
die Farben deiner Träume
und die der andern Bäume?
Seht ihr am Tag die Straße grau?
Macht dann die Nacht die Straße blau?
Ist dann der Kirchturm in der Ferne lilagrün,
ein Haus ist gelb und Wolken ziehn
wie schwarze Schafe drüber weg,
die Welt ist jetzt ein großer Farbenfleck, 
der dunkel noch am Boden klebt,
sich bald aus allem Dunkel hebt,
dann schwebt die Welt 
und zieht die Bäume mit sich fort,
dorthin, wo all die Farbentöpfe stehn, 
zu einem Ort,
wo Pinsel liegen,
Farben fliegen,
wo goldne Kutschen über rote Dächer gleiten
wo Kinder mit den Omas 
auf den Silbervögeln reiten …?»

«Halt!», ruft der Baum, «zu Ihren Fragen,
Herr Lila, kann ich heute gar nichts sagen,
wir Bäume gucken in die Welt hinein
bei Regen, Hagel, Schnee und Sonnenschein,
wir stehen drin herum in dieser Welt
und wachsen, weils uns so gefällt.»

«Und Farben seht ihr nicht? 
Und habt auch keine Träume?»

«Wir stehn und wachsen. 
So gehört es sich für Bäume.»

«Ach ja?» – war alles, was Herr Lila darauf sagte.
Und der am nächsten Abend dann 
die Blumen fragte.


Drei Mücken im Gulasch

– Es schwirren drei Mücken durchs offene Fenster,
drei schwarzdicke summende Mückengespenster,
die fliegen durch‘s Zimmer und woll‘n in die Küche,
von dort kommen kirschsüße Tortengerüche.

Die Torte, da steht sie! Die Mücken, sie summseln,
rundumseln die Torte, und alle drei brummseln
im Sturzflug und mitten hinein in die Torte,
was soll man da sagen, ja, hat man da Worte,

drei Mücken, die haben die Landung geschafft
und schwimmen und zappeln im Kirschtortensaft,
so ist es passiert, es ist nicht gelogen,
und tortensatt sind sie dann weitergeflogen,

es roch aus der Küche nach Gulasch, die Mücken,
nach Kirschtorte wollten sie Gulasch verdrücken,
so flogen sie rüber zum Gulaschtopf
und stürzten ins Gulasch, Hals über Kopf.

Man sah sie im Gulaschtopf untergehen,
kein Mensch hat sie jemals wieder gesehen.


Die zwei Ameisen
(nach Joachim Ringelnatz)


Es waren einmal zwei Ameisen,
die wollten von Haan nach Hilden verreisen,
zwei Tropfen Honig für unterwegs
nahmen sie mit und zwei Krümel Keks.
Es ging über Straßen, eine lange Allee,
und bald schon taten ihnen die Beine weh,
und die eine sagte zur andern ganz leise:
Wir schaffen das nicht mit der weiten Reise …
Die andere sagte: Hast recht, irgendwann
gucken wir uns die große Stadt Hilden an,
fahren versteckt dorthin mit dem Bus,
hinter Hannas Ohr, die uns mitnehmen muss.


Der Hund und ich


– Ich geh so auf der Straße und
mir hinterher spaziert ein Hund.
Und bleib ich stehn, steht auch der Hund …
hat der zum Stehen einen Grund?

Ich dreh mich um, geh hin zum Hund
und frag ihn: «Hund, gibt’s einen Grund,
dass du hier stehn bleibst?» Sagt er: «Und?
Das weißt du doch, die Welt ist rund

und groß, für dich und mich als Hund
ist Platz genug zum Stehen. Und
herumstehn ist doch hundsgesund,
du Tier!» Sagt da der Hund zu mir …


Linalu
– Ich bin Linalu, das Robbentier,
gönne mir die Sonne hier, 
liege im Sand, und um mich her
rauscht das Meer,
hörst du das Meer?
Du, ich bitte sehr,
nicht stören, die Sonne über mir
spricht – leise spricht die Sonne mit mir,
ruft mir ins Ohr mein Lieblingsliedchen,
Liedchen vom schönen Bullenmann Friedchen,
der mich besuchen will,
sei doch still!
Hörst du‘s?
Bullenmann Friedchen ruft: 
Linalu,
du, auf welchem Stein liegst denn du?
Friedchen, hier, mein Bullenschätzchen,
wie immer auf unserem Sonnensandplätzchen!
Watscht, platscht, patscht,
da hörst du‘s, wie mein Friedchen durch‘s Wasser tatscht,
her zu mir,
gleich liegen wir
vom Meer umrauscht auf unserm Stein,
wollen nicht gestört sein,
nicht gestört sein …

 
Zum Schulanfang
– Du kannst mit Wörtern auf der Wiese liegen,
die Wörter, Hanna, sind in Bücher eingepackt,
und darin steht, warum Gedanken fliegen,
warum der Specht in Bäume Löcher hackt,
du lernst das Lesen, Hanna, und du übst das Fragen,
die Schule wird ein tolles Abenteuer sein,
du lernst, wie Sterne Guten Abend sagen,
ob du ein Ja hörst, doch es ist ein Nein,
und eines Tages, Hanna, hast du von der Welt
dir tausend Abenteuerbilder vorgestellt. 


Guck nach!
Es war einmal ein Mückentier, 
das flog vor eine Wand
und – knallte hart dagegen, bums! 
Und? – War ein Elefant!

Ganz plötzlich, bums, ist es ein Elefantentier,
fällt von der Wand – 
und – Hanna, trampelt jetzt zu dir
und steht schon vor der Tür! 
Guck nach, da steht ein Elefant!

Du meinst,
nur eine Mücke hockt da …? 

Die als Elefant 
da grade stand,
vor fünf Minuten noch, 
ich hab ihn doch gesehen:
Grau war er, groß, der wollt‘ spazieren gehen,
Hanna, mit dir! 
Und jetzt, sagst du, 
ist nirgendwo ein Elefant zu sehn?

Dann musst du mit der Mücke halt spazieren gehn.